Impuls Nr. 119

Fahrradspiritualität

"Können sie mal nach der Bremse schauen? Das stimmt was nicht."


So oder mit ähnlichen Anliegen kommen wieder viele aus der Nachbarschaft zu uns in den Werkraum des Brunnenprojektes in der Hustadt. Nach der winterlichen Ruhepause werden wieder die Fahrräder aus dem Keller geholt. Das Wetter lässt es wieder zu, sich auf den Sattel zu schwingen. Die Bewegung tut gut. 
Fahrradfahren will gelernt sein und ein Fahrrad braucht eine regelmäßige Wartung.
Ja, wir können aus Erfahrungen beim Radfahren einiges lernen.
Madeleine Delbrel (1904-1964), auch "Mystikerin der Straße" genannt, lebte bewusst unter den einfachen Menschen in einem atheistisch geprägten Pariser Vorort. Weniger um zu lehren, als vielmehr im Alltag von den Menschen zu lernen. Sie schrieb  einmal einen kurzen Text, den sie "Fahrradspiritualität" nannte.
Wie beim Radfahren gilt es die Richtung zu halten und auch das Gleichgewicht. Sie beschrieb ihre Zeit vor 70 Jahren als wäre es heute: "Die Zeit in der wir leben, ist gekennzeichnet von einem allgemeinen, schwindelerregenden Ungleichgewicht."
Madeleine Delbrel lernte aus der Erfahrung des Radfahrens, dass man das Gleichgewicht nur halten kann, wenn man in Bewegung bleibt. Wie groß ist derzeit die Versuchung angesichts beunruhigender Geschehnisse in der Welt einfach stehenzubleiben.
"Wir können uns nur aufrecht halten, wenn wir weitergehen, wenn wir uns hineingeben in den Schwung der Liebe.", schreibt sie.
Wagen wir es, weiter in Bewegung zu bleiben, damit wir nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Achten wir auf die Richtung, die uns Jesus gewiesen hat. Und nutzen wir die Bremse, nicht um andere auszubremsen, sondern um uns selbst davor zu bewahren, übereilt zu sein.

Ich wünsche euch weiterhin ein gesundes und umweltfreundliches Unterwegssein mit dem neugierigen Blick für all die Schönheiten am Wegesrand.


Pater Winfried, Sozialpastor in der Hustadt