Impuls in besonderen Zeiten – Nr. 74

Gerufen oder nicht gerufen:

Gott wird da sein

Liebe Schwestern und Brüder,

Osterzeit: Und wie hältst du es mit der Auferstehung? Ich weiß nicht, wie Sie darauf antworten. Klar, Sie glauben an die leibliche Auferstehung, ich hadere. Andererseits ist mir bewusst, dass, wäre eins unserer Kinder verstorben, der Gedanke unerträglich gewesen wäre, Gott sei gerade auf Geschäftsreise. Das singt Tom Waits in seinem Lied „God’s away on Business“. Nein, es wäre nur auszuhalten, sie in den warmen weichen Armen Gottes zu wähnen. Gott muss doch da sein! Und ja, dieser Vorstellung der Gottesschau und des leichten Seins ins Gottes Armen im ewigen Reich Gottes kann ich gut folgen.
Das Geheimnis ihres Glaubens hat eine kleine Gruppe der Firmanden 2022 als #Glaube darstellt (siehe Foto vor dem Altar der Johanneskirche).

„Ach, da bist du ja endlich“, sagte Pastor Giepmann einmal in einer Predigt zum Thema Auferstehung, in der er Gott diese Worte als Begrüßungsformel in sein Reich  in den Mund legte. Was für ein herrlicher hoffnungsfroher  Gedanke: Ach, da bist du ja endlich. Das sagt vielleicht auch der Fährmann in der Vorstellung der Antike, der über den Totenfluss ins Reich des Hades  überführt. „Hallo“ – diese Begrüßung ist möglicherweise eine Abkürzung von „Hol über“ und damit die Aufforderung an den Fährmann, seines Amtes zu walten.

Eine der Lesungen am Dreifaltigkeits-Sonntag, dem Sonntag nach Pfingsten, befasst sich mit Frau Weisheit. Sie redet höchstpersönlich im Buch der Sprichwörter des Alten Testaments (Spr 8, 22-31) leichthin von ihrer Existenz, die eng verquickt sei mit der Gottes. Ja, sie sei Gottes geliebtes Kind und Gefährtin und spiele mit Freuden mit den Menschen auf der ganzen Welt. Sie, Frau Weisheit – Sophia (griech.  Weisheit) – sie sei schon bei Gott gewesen vor seiner Schöpfertätigkeit. Und – aber klar doch – sie habe sozusagen mit Gott die Naturgesetze verantwortet.

Den Spruch „gerufen oder nicht gerufen, Gott wird da sein“ hat der Historiker Thukydides (ca. 450 – 400 v. Chr.) geprägt. Dies habe das Orakel von Delphi den Spartanern auf die Frage geantwortet, ob sie Krieg gegen Athen führen sollen. Sie taten es und gewannen. Später hat Erasmus von Rotterdam (1466-1536) diesen Spruch lateinisiert und herausgestellt, dass der Lauf der Dinge eben der Lauf der Dinge sei – mal egal, wie stark etwas erbeten werde oder nicht.

Der Psychiater Carl Gustav Jung (1857-1961) ließ auf seinen Grabstein obigen Spruch schreiben. Er erklärte in einem Brief dazu, dass er für sich und seine Patienten in Erinnerung verstanden wissen wollte, dass der Anfang aller Weisheit die Gottesfurcht, eine Gabe des Heiligen Geistes, sei. Gott sei der, der da ist – gerufen oder nicht gerufen.

Und er, Christus, unser Bruder und Freud, ist bei uns alle Tage und Nächte bis ans Ende der Welt. Gott ist dreifaltig einer.

Liebe Grüße von 

Renate Gottschewski